Beiträge von Valerie Beauharnais

Die Wiederaufnahme des Spielbetriebes ist mit einem Zeitsprung von sechs Monaten verbunden. Als Faustregel soll hier gelten, dass alle Postings vor dem 01.02.2023 vor dem Zeitsprung anzusiedeln sind, alle Postings seit dem 01.02.2023 nach dem Zeitsprung zu verorten sind. Was in der Zwischenzeit geschehen ist werden wir für die einzelnen Plots separat festlegen und an geeigneter Stelle veröffentlichen. Dies wird zumeist durch ein Posting in den offenen Threads geschehen. Diese Aktion basiert auch auf dem Gedanken, dass der Spielbetrieb gestrafft werden soll um sich auf eine kleine Anzahl von offenen Handlungssträngen fokussieren zu können. Näheres ist noch festzulegen, Fragen können jederzeit an die Kaiserin oder den Seneschall gestellt werden.

    Valerie hatte ein wenig Zeit. Sie hatte zudem etwas Gut zu machen. Einen ihrer wichtigstens Mitarbeiter, auch wenn er neu ist, nicht gleich erkannt zu haben, war nicht gerade nett. Die bekennende Kaffeegenießerin, biss somit in den sprichwärtlichen sauren Apfel oder besser in die angebote Tasse Tee.


    Ich denk wir sollten uns ein wenig kennenlernen, Monsieur de Auvary.


    Freundlich nahm Valerie auf einem der bequemen Stühl Platz.

    Jetzt wusste Valerie woher ihr diese Mann bekannt vor kam. Peinlich das sie ihn nicht sofort erkannt hatte, schliesslich war die Ernennung nicht so lange her. Aber Valerie focht das nicht so wirklich an. SIE war die Kaiserin und konnte etwas peinliches als majestätisches kaschieren. Huldvoll, mit einem grandiosen Lächeln antwortete Valerie: Ach ja. Ich erinnere mich. Ganz lässig und als wäre es das Normalste von der Welt ging sie zum Schreibtisch. Klopfte auf einen der Aktenstapel. Ihre Vorgängerin hat mir eine Menge unangenehmer Dinge vom Leib gehalten. Wir haben gut zusammen gearbeitet. Ich hoffe das wird nicht schlechter, Monsieur de Auvray.

    An ihrem Amtssitz gefiel der Kaiserin besonders, dass die komplette Kaiserliche Hofverwaltung hier konzentriert war. Das verführte geradezu dazu, plötzlich und unerwartet in einem Büro aufzutauchen, quasi wie die "Kaiserin-aus-der-Kiste". Manche böse Zungen benutzten allerdings einen anderen Vergleich, wie "Belzebub ohne Schwefel". Nicht immer mündete eine solche plötzliche "Inspektion des Geschäftsbereichts" in einem heftigen Gewitter. Valerie konnte auch Schönwetter.


    Gerade hatte sie mit einem grandiosen Lächeln, einem Boten die Tür aufgehalten, als sie bemerkte das die Tür zum verwaisten Vorzimmer der Grade de Sceaux offenstand. Neugierig wie immer und mit dem Recht der Hausherrin, ging sie schnurrstraks weiter und traf im eigentlichen Büro auf einen Mann mit einem gewaltigen Schnurrbart. Valerie erkannte ihn nicht sofort.


    Was machen Sie denn hier? Wer sind Sie überhaupt?


    Eben noch Lächelnd, nun fauchend wie eine Raubkatze.

    Schweren Herzens nahm ihre Majestät die Selbst-außer-Gefechtsetzung Beatrice de Lusignan an. Sie hatte Valerie eine Menge unangenehmer Dinge vom Schreibtisch fern gehalten. Da war wohl eine angemessene Anschlussverwendung mit einem wohlklingenden Titel fällig. Sei es nur um das spätere Ruhegehalt ein wenig aufzupeppen. Dekan der Juristischen Fakultät der Universität zu Edesse, dazu noch den Titel Professor. Valerie fand die Idee umwerfend, Beatrice sicher auch, davon war die Kaiserin überzeugt.


    Der Neue war ihr unbekannt. Ministerialbürokrat mit tadellosem Lebenslauf. Ein Karrierebeamter und vermutlich genauso langweilig. Wie bei den meisten Personalentscheidungen dieser sehr gehobenen Laufbahngruppe, verließ sich die Kaiserin auf die Empfehlungen ihrer Regierung. Zum einen hatte Valerie keine Lust auf Diskussionen, zum anderen konnte sie immer noch mit dem Finger auf die Verwantwortlichen zeigen, wenn die Inhaber solcher Posten später versagten. Einen gewaltigen Schnurrbart hatte er, stellte Valerie amüsiert fest, hoffentlich ist der Arbeitseifer genauso gewaltig. Mit ihrem altmodischen Füllfederhalter setzte sie ihre schwungvolle Unterschrift unter die Ernennungsurkunde.

    Mit dieser Reaktion hatte Valerie wahrlich nicht gerechnet. Auch nicht damit das Bernadette ihr den Spaß verdarb. Vielleicht sollte es so sein.


    Guter Schuß. Papa wird Dir verzeihen. Mama wohl weniger, aber sie muss es ja nicht wissen.


    Sie kam auf den Brief zurück.


    De Ridefort kann bestimmt ein wenig Licht in diese Briefangelegenheit bringen. Ich wollte ihn sowieso sprechen.

    Ziele? Habe ich welche? Ich meine persönliche Ziele, nicht die die mir mein Amt vorschreibt. Irgendwie schon. Denke ich. Was ist mit Glücklichsein? Ist das ein Ziel?


    Sie griff nach ihrem Hut und strich den Schleier mit einer Hand glatt. Nachdenklich schaute sie aus einem der beiden Fenster hinter ihrem Schreibtisch. Dazwischen hing das Gemälde von Papa und Mutter noch als Kaiser und Kaiserin. Wie eine Metapher erschien es ihr plötzlich, dass ihr Vater ihr immer noch, wenn auch eher bildlich, über die Schulter schaute.


    Vielleicht sollte ich mir ein wirkliches Ziel setzen, nämlich Kaiserin zu sein! Einfach heraushängen lassen wer ich bin, den Menschen die Du genannt hast, auf die Finger klopfen.  


    Sie schaute wieder zu dem Gemälde hoch.


    Fangen wir mit dem Kasiserinsein gleich mal an. Bernadette ich wünsche ... nein, ich will das dieses Bild meiner Eltern von dieser Wand verschwindet! So schnell wie möglich! Weg damit in die Galerie! Dort hängt eines von mir, gleiche Größe, selbes Format. DAS wird dort aufgehangen!


    Lächelnd drehte Valerie sich zu Bernadette um. Spielerisch warf sie Bernadette ihren Hut zu und hoffte das sie ihn nicht fing. Dann musste sich eine von beiden bücken, welch eine Gelegenheit.

    Sicherheitshalber hatten sich Valerie und Robert dazu entschlossen, bis zur Hochzeit auf Verhütung zu setzen. Eine vorzeitige Schwangerschaft würde wieder für einen royalen Skandal sorgen, den Valerie unbedingt vermeiden wollte. Sie hatte genug um die Ohren. Trotzdem waren die Nächte mit Robert wunderschön, wenn auch anders, als mit ihren Gespielinnen. Da war sie oft die Meisterin in Sachen Liebe, bei Robert war sie die Schülerin. Die letzte Nacht war da keine Ausnahme gewesen. Zufrieden schaute die nackte Kaiserin ihrem schönen Robert bei schlafen zu. Sie hatte nach ihrem, vor Robert geheimgehaltenen, leichten nervlichen Zusammenbruch, hin und her überlegt. Vermutlich war der Rat Bernadettes, mehr von ihrer Arbeit zu delegieren, der bester Rat den sie in letzter Zeit bekommen hatte. Robert hatte, als Prinzgemahl, offiziell keine Funktionen. Aber das könnte man ändern! Wer sonst, wenn nicht die Kaiserin selbst, könnte den Anstoß dazu geben? Sie musste unbedingt mit ihrem zukünftigen Gemahl reden. Er hatte in Sachen Tradition, Hinterzimmerintrige und Machtspielchen wesenlich mehr Erfahrung als die junge Kaiserin. In dieser Beziehung hatte sie die perfekte Wahl getroffen ... und nicht nur in dieser Beziehung, wenn sie an den Grad der Erschöpfung in der letzten Nacht dachte.

    Ihre Beine gefielen Valerie. Schlank und sportlich. Es schien als ob Bermadette Valerie ablenken wollte oder war es doch mehr als nur ein Manöver die Laune der Kaiserin zu verbessern? Mehr und mehr war Valerie versucht, sich ablenken zu lassen.


    Ich würde nicht dagegen wetten!


    Im stehen entfernte Valerie die Nadeln mit deren Hilfe der kleine Hut in ihrem kräftigen Haaren befestigt war. Der Hut landete auf ihrem Schreibtisch. Im Gegensatz zur Kaiserin trug Bernadette selten bis nie Pumps und schon gar keine Heels, wie sie gerade an den Füßen der Kaiserin steckten. Trotzdem konnte Valerie mit dem Fuß aufstampfen, was sich tat. Amüsiert schaute sie ihrer Vorzimmerdame in die Augen.


    Und nun?

    Ihre Lebens- und Kampfgeister schienen wieder zu erwachen. Anielle war weit weg und zu dem für sie derzeit kaum erreichbar. Valerie stelle fest, dass das Leben weitergehen musste. Zwangsläufig als Kaiserin. Das Grinsen fiel Valerie auf. Bernadette fiel vom Typ her, voll in Valeries Beuteschema. Klein blond zierlich mit Schnauze. Anielle nicht unähnlich. Einen Versuch wäre es Wert. Aber nicht jetzt.


    Wir werfen das mal nicht weg. Ich will es noch jemandem zeigen.


    Valerie bückte sich und holte das Schreiben wieder aus dem Mülleimer. Als sinnliche Frau, wusste sie sich zu bewegen und bückte sich so, das ihr kaiserlicher Popo gut zusehen war. Langsam erhob sie sich wieder und strich ihren Rock gerade. Laszive Lächeln konnte auch die Kaiserin.


    Mit der Burg warten wir noch etwas. Vielleicht sollte Anielle ein wenig die Ruhe ihrer Burg genießen. Schliesslich hat sie sich ja ordentlich daneben benommen. Es wäre an ihr sich zu entschuldigen. Wenn nicht bei Serville, dann doch bei mir. Das da, das kann in den Reißwolf.


    Mit einer Hand zeigte die Kaiserin auf den kleinen Haufen von Papierschnippseln die einmal ihre Rücktrittserklärung waren.

    Geschockt hörte Valerie zu.


    Jos ist tot! Mein Bruder ist tot! Ganz offiziell.


    Mulmig wurde es Valerie schon. Ihre Eltern hatten nie mit ihr über das Verschwinden ihres großen Bruders gesprochen. Nur verkündet, dass nun sie, das nun Valerie in der Pflicht stünde, weil Jos tot ist.


    Wie kommt dieser Arzt darauf das sein Patient mein Bruder sein könnte? Ich weiß das es damals keine Leiche gab, aber das muss nicht unbedingt die Wahrheit gewesen sein. Meine Eltern wichen mir immer aus, wenn es um Joscline ging. Es war ihnen unangenehm darüber zu sprechen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass er tot ist.


    Letztes war ein wenig gelogen.


    Er verschwand vor gut 10 Jahren auf mysteriöse Weise. Ich will ehrlich sein. Denn es gab auch immer wieder Palastgerüchte, in denen es hieß Josline Beauharnais lebe und würde, weit ab der Hauptstadt,  vor der Welt versteckt gehalten. Die treibende Kraft soll dabei die damalige Kaiserin, meine Mutter gewesen sein, weil sie es nicht ertragen konnte, dass ihr einziger Sohn, nach einem Unfall, geistig verwirrt ist. Danach hätte sie jeden Kontakt zu ihm abgebrochen und für andere verboten. Das war nur ein Gerücht, bewiesen ist nichts davon. Aber ich kann und will diesen Mist nicht glauben! Nicht eine Minute!


    Zornig nahm sie ihre eben noch feierlich mit einem Lachen unterschriebene Rücktrittserklärung in beide Hände und zerriss sie vor Bernadettes Augen.


    Da lasse ich mich lieber weiter für einen Livre von hinten anlecken,  bevor ich das glaube!

    Valerie spürte einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. In ihrem Kopf drehte es sich plötzlich.


    Joscline Beauharnais? Das kann nicht sein.


    Ihr Rücktrittsschreiben war nicht mehr so wichtig. Als sie auf ihrem Sessel Platz nahm, deutete Valerie kurz an, dass Bernadette sich setzen sollte.


    Mein verschollener und für Tod erklärter älterer Bruder hieß Joscelin. Er sollte eigentlich Kaiser werden. Aber .... aber er ist schon seit Jahren tod. Und jetzt dieser Brief? Da erlaubt sich wohl jemand einen üblen ... bösen Scherz.

    Wie ich Anielle kenne atmet sie das Zeug ein und hustet nicht einmal!


    Valerie beruhigte sich ein wenig. Vielleicht war das mit dem Rücktritt doch zu schnell geschossen. Vielleicht nahm sie alles einfach viel zu ernst.Vielleicht sollte Anielle Zeit lassen. Vielleicht sollte sie eine Pause machen, vom regieren und reagieren, sich in die Sonne legen. Wortlos nahm sie den Brief entgegen.


    Wirklich nett, mal wieder ein echter Brief. Hübsch die Marke. Ich finde ich bin gut getroffen, für eine Livre.

    Immer noch vollkommen neben der Spur, verstand Valerie weder Spaß noch andere Scherze.


    Barfuß im Schnee vor ihrer Burg? Mit dem Hubschrauber und ein paar Gardesoldaten vor dem Burgfried landen? Mit der weißen Flagge in der Hand auf den Knien den Berg hoch? Sowas in der Art?


    Das kollidierte erheblich mit Valeries Stolz und dem was sie von sich hielt. Allenfalls Option No. 2 kam, wenn überhaupt, in Frage. Ehrlicherweise musste Valerie sich aber auch eingestehen, noch nie ernsthaft über mehr als Anrufe und Mails nachgedacht zuhaben


    Vielleicht sollte ich tatsächlich mit gezogenem Familienerbstück ihre Burg stürmen und mein Burgfräulein entführen. 


    Ein Anflug von Humor. Der schnell wieder verflog, als sie den zweiten Teil von Bernadettes Predigt überdachte. Daran hatte sie nie gedacht, nie überlegt wie sehr Anielle in ihrem Amt aufging, wie wichtig es ihr war für Kaiserin und Reich dazusein. Vermutliich war es bei Robert nicht viel anders. Er hatte sein Amt als Seneschall aufgeben müßen, nur um in die zweite Reihe hinter seiner zukünftigen Gattin gestellt zu werden. Nur da um Nachwuchs zu zeugen. Woher seine Niedergeschlagenheit kam, konnte sie sich nun erklären. Wollte sie wirklich, die Frau, den Menschen, der ihr am meisten bedeutete, in ähnlicherweise seelisch kaputt machen?


    Du meinst wir sind keine normalen Menschen? Nur für einander dasein, würde uns auf Dauer schaden? Du meinst Anielle braucht ihr Amt wie die Luft zum atmen und ich bin die geborene Kaiserin?, süffisant lächelend fuhr Valerie fort, Zumindest letzteres stimmt nicht. Ich kann gut ohne Macht, Amt und Titel auskommen! .... Anielle vermutlich nicht.


    Bernadette hatte sie mit der Nase auf das gestoßen, was sie sich selbst nie eingestand, auf ihren eigenen Egoismus! Das tat weh.

    Manchmal kam sich Valerie vor wie eine Idiotin. Ihr Abi war mittelmässig und ihr Studium musste sie abbrechen. Mit Formeln hatte sie sich immer schon ungerne beschäftigt und nun das. Musste ihr Bernadette vorhalten, wir ungebildet sie im Grunde war? Verstanden hatte sie von dem was Bernadette ihrer Kaiserin erklären wollte nicht, bis auf den Satz: Rede mit ihr!


    Sie lässt niemanden an sich heran. Nach der Zertrümmerung meines Lagezentrums und der körperlichen Beschädigung zweier meiner engsten Mitarbeiter, hockt sie schmollend auf ihrer Burg.


    Valerie hatte sich ein wenig beruhigt.


    Ein Grund für meinen Rücktritt ist ohne Zweifel meine Hoffnung, das Anielle wieder zu mir zurückkehrt. Wenn ich keine Rücksicht mehr auf meine Stellung nehmen muss,  kann ich sie einfach heiraten.

    Kraftlos ließ Valerie die Pistole auf den Schreibtisch fallen, nicht ohne vorher daraufgeachtet zu haben, dass das Ding gesichert war. Wie meistens hatte Bernadette nicht unrecht. Immerwieder war sie von Anielle und Leonor aufgefordert worden, ein paar Tage auf dem Land zu entspannen. Weg von alle dem, was sich an Regierungsgeschäften vor ihr auftürmte. Dazu gekommen war es nie. Wird es vermutlich auch nie, weil Anielle ihr wohl nie verzeihen wird.


    Verwöhnt kann man auslegen wie man will. Wenn Du damit Geld wie Heu meinst und ich mir fast jeden materiellen Wunsch erfüllen könnte, gebe ich Dir recht, da bin ich verwöhnt. Aber was ist hiermit? Sie griff sich mit der rechten Hand ans Herz. Wenn sie schon beichtete, dann auch richtig. Was ist hiermit? Was ist mit Liebe? Damit meine ich keinen puren Sex, sondern Liebe! Wieder traten Tränen in ihre schönen großen Augen. Meine große Liebe, meine Anielle, habe ich vor den Kopf geschlagen! Aus Staatsräson! Weil angeblich niemand eine Kaiserin haben mag, die lesbisch ist! Robert Duroc ist für mich die Lösung meines Schwangerschaftsproblems. Die Zeitungen haben das schon richtig ausgelegt: Er wäre der Reichsdeckhengst! Nicht mehr und nicht weniger! Daher frage ich Dich noch mal, was ist mit Gefühlen? Ich habe Anielle verloren und Robert nie wirklich haben. Somit sitze ich zwischen allen Stühlen. Du siehst, dass Exil hat seinen Reiz. Die Kaiserin ging zum Fenster und schaute in den Park des Palais Bariole, ihrem zu Hause. Das hier würde ich schon vermissen.

    Wütend sprang Valerie aus ihrem Sesseln, war versucht ihrer Vorzimmerdame eine zu scheuern, es ihr mit gleicher Münze zurückzuzahlen.


    Ich habe die Schnauze voll. Richtig voll. Laß mich damit in Ruhe. Soll sich doch meine Schwester oder wenn es sein soll, meine Mutter damit herumschlagen!


    Valerie war tatsächlich mit ihren Nerven am Ende. Heiraten sollte sie, aber nicht die Frau die sie liebte. Einen Kompromiss war sie eingegangen. Sie hatte vor ihren eigenen Seneschal zu heiraten. Mehrfach hatte sie mit ihm geschlafen. Sie hatte sich vor gemacht das es ihr Spaß machte. Ihr Herz war gebrochen. Anielle scheinbar verloren. War es das wirklich wert gewesen?


    Dazu kam die Politik. Frieden stiften sollte sie, für Menschen die keinen Frieden haben wollen. Pahlawan würde das nächste Minefeld sein. Sie hatte keine Lust mehr auf Minen.


    Verstehst Du das nicht? Ich bin 26 Jahre alt und habe nicht einen Tag gelebt. Alles nur gestohlene Zeit im Keller mit meiner Musik. Geklaute Momente in denen ich meine Pflichten vergessen konnte.


    Seit dem Attentat war Valerie nie mehr so richtig zur Ruhe gekommen. Die Entführung, hatte sie gut überstanden und gut verkraftet. Aber der Schuss der ihr Leben fast beendet hätte, war immer noch zu hören. EIne Waffe war seitdem immer in Reichweite. Die Kaiserin öffnete die oberste Schreibtischschublade, holte eine PIK Bauer P 229 hervor.


    Vielleicht hast Du recht, Bernadette. Vielleicht sollte ich gleich vom Leben zurücktreten!


    Müde lächelnd hob Valerie die Waffe mit der sie zielsicher alles traf, was sie anvisierte.





    Nach einer schlechten Nacht voller Unruhe und ohne Robert, warf Valerie an diesem Morgen ihren kompletten Terminplan über den Haufen. Sagte alles ab. Einwände von Bernadette und Serville fauchte sie beiseite. Für 10 Uhr ließ sie ihren Wagen vorfahren. Nur Pierre ihr Fahrer und Maurice ihr Leibwächter, durften sie begleiten. Die Fahrt war nicht weit, sie ging vom Palais Bariole die kurze Strecke über die Landstraße hinunter zur Garnisionskirche. Früher war sie diesen Weg immer zu Fuß gegangen. Doch seit dem Attentat und ihrer Entführung ließ sie sich in ihrer schwer gepanzerten Limousine dorthin fahren. Wortlos war sie eingestiegen. Wortlos saß sie im Fond. Pierre hatte die Weisung an einem Nebeneingang zu halten, durch den sie ungesehen zur Grabeskapelle ihres Vater gelangen konnte. Als sie ausstieg, sah man eine Kaiserin die in tiefes schwarz gekleidet war. Extrem hohe Pumps, Nylons. Das Kostüm reichte bis unter die Knie. Lederhandschuhe, eine kleine Handtasche. Ein kleiner Hut mit einem Gesichtsschleier und dazu noch eine große Sonnenbrille. Dezent geschminkt, die Haare hochgesteckt. Maurice spürte das seine Kaiserin traurig und niedergeschlagen war. Vor nicht allzulanger Zeit hätte er versucht sie zum lachen zu bringen. Diesmal entschied er sich dagegen. Zuviel hatte diese junge schöne Frau einstecken müssen. Jetzt sorgte er dafür, dass niemand, wirklich niemand, sie in ihrer Andacht störte. Selbst der Pfarrer wurde gebeten, fernzubleiben. Man hörte nur die dünnen Absätze ihrer hohen Schuhe, sonst war alles totenstill, als sie die Kapelle betrat, in dem der Sarkopharg mit den Überresten Kaisers Eugene stand. Die schwere Eichentür wurde hinter ihr geschlossen. Valerie war alleine, alleine mit ihrem Vater. Sie zog sich die Handschuhe aus, tauchte zwei Finger in das kleine Weihwasserbecken und bekreuzigte sich. Valerie machte eine tiefen Knicks vor dem Kruzifix über dem Altar. Vor dem Sarkopharg aus rotem Marmor kniete sich die Kaiserin auf einen Gebetsstuhl, faltete ihre Hände und schaute auf den Boden, als sie ein Vater-Unser betete. Dann sah sie zur Grabstätte ihres Vater auf. Tränen liefen über ihr schönes Gesicht.


    Papa, geliebter Papa ...


    Sie entnahm ihrer Handtasche ein Tachentuch. Zog die Sonnenbrille vorsichtig unter dem Schleier hervor und tupfte sich die Tränen ab. Mit belegter Stimme sprach sie zu ihrem Vater.


    Ich bin nicht wie Du. Das werde ich auch nie sein. Keine Ahnung vom regieren, keine Ahnung von Politik, keine Ahnung wie man mit Menschen umgeht. Keine Ahnung was ich hier als Kaiserin eigentlich soll. Keine Ahnung davon wie ich zwischen den Fronten meiner Freunde, Berater und Gegner unbeschadet herauskommen soll. Ich habe es satt ständig aufpassen zu müssen was man zu wem sagt! Ich will endlich wieder ich sein, ich will wieder Valerie sein. Valerie Beauharnais und nicht Valerie d`Outremer.


    Valerie stand auf, ging zu dem Marmorsarkopharg legte ihre rechte Hand auf den Deckel und küßte den kalten Marmor. Neben dem Sarg blieb sie stehen.


    Du hast immer gewusst was Du tust. Ich weiß nicht einmal, ob ich den Tag überlebe, ohne einen Skandal, eine Krise oder einen Krieg ausgelöst zu haben. Oft liege ich im Nachts im Bett und weiß nicht wie ich zur Ruhe kommen soll. In den Träumen tauchen sie alle auf, die Durocs, die Bruns, die Rideforts, della Roveres, Montmorencys, Antonie, meine Schwester, meine Mutter und und ... Anielle. Ich glaube fast. dass ich genauso verrückt werde oder bin, wie Leonor.


    Sie ging langsam zum Altar hinüber, schaute zu dem schlichten Kruzifix hoch. Es war während des letzten Kreuzzuges entstanden als Dank für die gewonnene Schlacht von Karameique in der ein kleines Kreuzfahrerheer die Kasemuffen besiegte.


    Kasemuffen, Kreuzfahrer, der alte Adel, der neue Adel, Parlamente, deine Armee, meine Flotte. Aussenpolitik, Innenpolitik, Sozialpolitik. .... Papa warum, warum hast Du mich damit alleine gelassen? Ich sitze an meinem ... deinem Schreibtisch denke über das was ich unterschreiben soll nach und verstehe noch nicht einmal die Hälfte. Ich sehe mich noch im Schlaf meine Unterschrift unter all diese Papier setzen. Papa ich will ... ich kann nicht mehr. 


    Valerie seufzte leise, ging zum Sarkophag zurück, mit fester Stimme und einem ebenso festen Blick, sprach sie weiter.


    Sire, ich werde noch eine einzige Unterschrift als Valerie d'Outremer tätigen. Gleich wenn ich nach Hause komme, werde ich ein Schreiben unterzeichnen, das meinen Rücktritt als Imperatrice d'Outremer erklärt!


    Sie ging zurück zum Gebetsstuhl griff sich ihre dort liegende Handtasche und ihre Handschuhe. Bekreuzigte sich noch einmal mit Weihwasser, knickste noch einmal vor dem Kruzifix nieder, klopfte an die schwere Eichentür. Setzte die Sonnebrille auf, damit man ihre verheulten Augen nicht sah. Maurice öffnete, begleitete seine Kaiserin zurück zum Wagen. Pierre fuhr, für seine Verhältnisse, gesittet zurück zum Bariole. Wortlos ging sie an allen vorbei die sie auf dem Weg zu ihrem Arbeitszimmer traf. Handschuhe und Handtasche achtlos einen großen Sessel geworfen, setzte sich sich Aufrecht wie eine Ballerina in ihren Stuhl, zog eine Mappe aus einer Schublade, öffente das Siegel und dann die Mappe, drehte den altmodischen Füllfederhalter auf und setze lächelnd ihre Unterschrift VALERIE unter die vor Wochen schon selbst verfasste Rücktrittserklärung. Erleichtet aufamtend lehnte sie sich zurück und lachte, lachte wie nur Valerie lachen konnte.

    Ihre kleine Welt war wieder einmal zusammengebrochen. Noch am selben Abend, als sie stolz und voller Zuversicht ihre Verlobung mit Robert Duroc bekanntgegeben hatte, erfuhr sie vom Zusammenbruch Anielles. Alleine das zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Hier hatten die Wände Ohren und so erfuhr die Kaiserin von dem Doppelspiel ihrer kleinen Schwester. Ebenso wie von den wenig dezenten kritischen Äußerungen ihrer Mutter, was sie aber sportlich hinnahm. Da machte ihr die offen zur Schau getragene Niedergeschlagenheit ihres zukünftigen Gatten schon mehr Sorgen. Und wie immer, wenn Valerie in das tiefe Loch einer Depression fiel, ging sie in ihren, wie sie sagte, persönlichen "Panic Room". Tief im Keller gelegen waren es im Grunde zwei Räume. Zu diesen Räumen hatte nur sie zutritt. Das waren die geheimnissvollen Kellerräume, die zu den wildesten Theorien Anlass gaben. Von privaten Folterkammer der Kaiserin bis hin zur lasterhaften Spielhölle. Nichts davon war wahr. Hier gab es ein Tonstudio mit dem modernsten Mischpult das man für Geld kaufen konnte und in einem weiteren Raum stand ihr ganzer Stolz: ein für sie extra angefertigtes auf sie eingestelltes Schlagzeug. Immer wenn sie in einem seelischen Tief war, ging sie in ihren "Panic Room" und trommelte sich die Seele aus dem Leib. So auch diesmal. Bekleidet mit einer engen Jeans und einem schlichten weißen T-Shirt, Barfuß hatte sie gerade ihren Frust ans Schlagzeug weitergegeben. Etwas verschwitzt, steckte sie die Trommelstöcke zurück in die Halterung und stellte sich vor den Spiel in dem sie sonst ihre Übungen kritisch verfolgte. Ihr angeborener Schmollmund, wurde zu einem tatsächlichen. Valerie schaute sich selbst in dei Augen und dachte laut nach.


    Was nun Majestät? Zeit alles hinzuwerfen? Zeit eine neues Leben anzufangen?


    Sie hatte große Lust dazu.


    Zeit sich irgendwo im Ausland ins Exil zu begeben? Zeit für ein kleines Haus am Meer? Vielleicht würde Anielle mitkommen. Ich habe Dir so weh getan, ich schäme mich so dafür, meine Anielle ... Ich liebe Dich.


    Hier war ihre Achillesferse. Valerie liebte Anielle immer noch ... aber auch Robert ... irgendwie.


    Vielleicht sollte ich einfach alles hinwerfen! Zurücktreten, ins Exil gehen! Musik machen, segeln, schreiben. Soll doch meine kleine ehrgeizige Schwester sich zur Wahl stellen! Soll sie doch sehen was für ein Scheissjob es ist Kaiserin zu sein. Mama würde sich einen Ast freuen und ich wäre beide los. Eine kleine Appanage und keine Verpflichtungen. Wenn das Geld nicht reicht ... ein paar Interviews, Memoiren, ein Buch hier und da. Oder einfach Musik machen. Valerie B. ein netter Künstername.


    Sie lächelte wieder und zog sich langsam aus dem Loch ihrer Depression. Sie griff sich die Fernbedingung ihres Mischpultes, setzte die riesigen Kopfhörer auf und drückte auf "Start". Nach dem Intro begann sie ganz für sich, ganz alleine und sang sich glücklich.


    Beth Hart - Bad Woman Blues (Official Music Video)
    Official music video for Bad Woman Blues from the new album 'War In My Mind'. Stream / Download / Buy 'War In My Mind': http://smarturl.it/bethhartstoreWar ...
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