Ihre kleine Welt war wieder einmal zusammengebrochen. Noch am selben Abend, als sie stolz und voller Zuversicht ihre Verlobung mit Robert Duroc bekanntgegeben hatte, erfuhr sie vom Zusammenbruch Anielles. Alleine das zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Hier hatten die Wände Ohren und so erfuhr die Kaiserin von dem Doppelspiel ihrer kleinen Schwester. Ebenso wie von den wenig dezenten kritischen Äußerungen ihrer Mutter, was sie aber sportlich hinnahm. Da machte ihr die offen zur Schau getragene Niedergeschlagenheit ihres zukünftigen Gatten schon mehr Sorgen. Und wie immer, wenn Valerie in das tiefe Loch einer Depression fiel, ging sie in ihren, wie sie sagte, persönlichen "Panic Room". Tief im Keller gelegen waren es im Grunde zwei Räume. Zu diesen Räumen hatte nur sie zutritt. Das waren die geheimnissvollen Kellerräume, die zu den wildesten Theorien Anlass gaben. Von privaten Folterkammer der Kaiserin bis hin zur lasterhaften Spielhölle. Nichts davon war wahr. Hier gab es ein Tonstudio mit dem modernsten Mischpult das man für Geld kaufen konnte und in einem weiteren Raum stand ihr ganzer Stolz: ein für sie extra angefertigtes auf sie eingestelltes Schlagzeug. Immer wenn sie in einem seelischen Tief war, ging sie in ihren "Panic Room" und trommelte sich die Seele aus dem Leib. So auch diesmal. Bekleidet mit einer engen Jeans und einem schlichten weißen T-Shirt, Barfuß hatte sie gerade ihren Frust ans Schlagzeug weitergegeben. Etwas verschwitzt, steckte sie die Trommelstöcke zurück in die Halterung und stellte sich vor den Spiel in dem sie sonst ihre Übungen kritisch verfolgte. Ihr angeborener Schmollmund, wurde zu einem tatsächlichen. Valerie schaute sich selbst in dei Augen und dachte laut nach.
Was nun Majestät? Zeit alles hinzuwerfen? Zeit eine neues Leben anzufangen?
Sie hatte große Lust dazu.
Zeit sich irgendwo im Ausland ins Exil zu begeben? Zeit für ein kleines Haus am Meer? Vielleicht würde Anielle mitkommen. Ich habe Dir so weh getan, ich schäme mich so dafür, meine Anielle ... Ich liebe Dich.
Hier war ihre Achillesferse. Valerie liebte Anielle immer noch ... aber auch Robert ... irgendwie.
Vielleicht sollte ich einfach alles hinwerfen! Zurücktreten, ins Exil gehen! Musik machen, segeln, schreiben. Soll doch meine kleine ehrgeizige Schwester sich zur Wahl stellen! Soll sie doch sehen was für ein Scheissjob es ist Kaiserin zu sein. Mama würde sich einen Ast freuen und ich wäre beide los. Eine kleine Appanage und keine Verpflichtungen. Wenn das Geld nicht reicht ... ein paar Interviews, Memoiren, ein Buch hier und da. Oder einfach Musik machen. Valerie B. ein netter Künstername.
Sie lächelte wieder und zog sich langsam aus dem Loch ihrer Depression. Sie griff sich die Fernbedingung ihres Mischpultes, setzte die riesigen Kopfhörer auf und drückte auf "Start". Nach dem Intro begann sie ganz für sich, ganz alleine und sang sich glücklich.
